Freitag, 1. September 2017

26. Helke Stiebel




Lichtgraphik in der Poterne

Die Festung Ehrenbreitstein ist eine der größten Festungsanlagen Europas mit wechselvoller Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Notwohnungen für Ausgebombte und Flüchtlinge eingerichtet, Archive, Bilder und Kunstgegenstände des Mittelrhein-Museums waren dort ausgelagert. Die Jugendherberge eröffnete, später das Landesmuseum. Zur BUGA 2011 wurde das gesamte Festungsgelände herausgeputzt – touristisch erschlossen, mehrere Museen eingerichtet, Events veranstaltet, kulturelle Angebote – man trifft sich auf der Festung zum „Dauerevent“.
Eines dieser Events ist das „Festungsleuchten“ – mit hohem technischem Aufwand werden computergesteuerte Bilder und Geschichten digital auf die Festungsmauern projiziert. Die Gebäude erstrahlen in tausendfacher Farbgebung, und staunend stehen die Menschen davor. Diese „Lichtbeschallung“ – Elektrizität, Leuchtreklame etc. sind für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Aber wie sahen die Lichtverhältnisse in der Festung vor 150, 200 Jahren aus? Man war auf Tageslicht angewiesen; wie war der Lichteinfall in den Kasematten, Rückzugsorten, Tunnel, Wachstuben und Gängen? Welche Licht- oder Schattenbilder wurden dadurch auf Böden, Wänden oder Steinen gebildet? Sonnen-, Mond- und Tageslicht können wahrlich bizarre Formen zeichnen.
Mit Vorliebe spüre ich die kleinen unbeobachteten Dinge auf, die aber voller kontrastreicher Reize stecken und so rätselhafte Bildausschnitte entstehen lassen können. An den Objekten wird nichts geändert oder retuschiert, die Realität der vorgefundenen Situation wird nur unorthodox vorgeführt. Das war meine Intention: In den Gängen oder Tunnel den Lichteinfall aufzuspüren. Betritt man die Festung durch das Feldtor und möchte man zum Schlossplatz gelangen, geht man meistens, wie fast alle Besucher, durch die Poterne. Dies ist ein überbauter, zweiarmiger Tunnel im Ravelin, der die Gräben der Festung verbindet. Die drei Ausgänge konnten mit schweren Holztoren verschlossen werden – die Tunnel dienten bei militärischen Einsätzen in Verteidigungszeiten entweder als Rückzugsorte oder zu einem militärischen Ausfall.
Licht fiel durch vier vergitterte Oberlichter im linken Tunnel, und im rechten Tunnelarm erhellten drei Oberlichter den Gang. Heute ist der Haupttunnel betoniert, mit Scheinwerfern ausgestattet, Besucher können gefahrlos hindurch eilen. Aber der linke Poterne-Arm ist noch im ursprünglichen Zustand erhalten. Keine Elektrik, der Boden besteht noch aus den originalen groben Kieselsteinen, die runden Oberlichter erhellen den Gang ein wenig – jedoch bei einer bestimmten Jahres- und Tageszeit werden und wurden durch natürliche Sonneneinstrahlung auf Mauern und Kieselsteine geheimnisvolle Lichtkreise gezeichnet. Von den meisten Menschen werden diese Lichter nicht wahrgenommen – was sind schon ein paar Lichtpunkte auf alten Kieselsteinen? Für mich war es die „Lichtgraphik“: Das Element Licht zeichnete im wahrsten Sinne des Wortes.
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Helke Stiebel
Clemensstraße 7
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Tel.: 0261 / 31961