Freitag, 1. September 2017

19. Aloys Rump






Das Geheimnis der Festung I+II
Das Geheimnis der Festung: Fake oder Nicht-Fake?
Warum nicht? Warum sollte man nicht in Zeiten von Fake News und alternativen Fakten glauben, dass vor einigen Jahren, bei Erd- und Pflanzarbeiten für die Bundesgartenschau 2011, in der Festung Ehrenbreitstein tatsächlich sensationelle archäologische Funde gemacht wurden? Dass damals nicht nur Mauerwerk der Burg ans Tageslicht kam, die der Konradiner Ehrenberg vor mehr als tausend Jahren hier, auf dem nach Befestigung geradezu schreienden, strategisch wichtigen Bergsporn, errichten ließ?
Stattdessen hätten ja die Archäologen durchaus Hinweise auf die Menschen, die einst an diesem Ort lebten, entdecken können, Knochen, Schmuckstücke und sogar fossilierte, versteinerte Zeichnungen, die an Schnittmuster erinnern, dazu passenderweise Stoffreste, die von den Gewändern der früheren herrschaftlichen Bewohner stammen könnten. Reste vielleicht von Mänteln, die einst die Wächter trugen oder auch die Überbleibsel eines Bustiers, wie es möglicherweise einer Prinzessin gehörte, zu deren Rang die prunkvollen, glitzernden Schmuckstücke passen würden. Beides, Mäntel und Bustier, habe, so heißt es, Clara Sophie Schling aus den erhaltenen Teilen und den „Schnittmustern“ erschlossen und rekonstruiert.
Perfekter könnte ein scheinbar ganz auf Fakten basierender, sich durch den Verweis auf Fundstücke, Chroniken und/oder Spezialisten legitimierender dickleibiger historischer Roman kaum beginnen. Mit dem passenden Titel, vielleicht „Das Bustier der Königin“, ließe sich daraus durchaus ein Bestseller à la Iny Lorentz schneidern. Die beiden befreundeten Künstler Aloys Rump und Manfred Schling, die für Nexus mit ihrer Geheimnis der Festung überschriebenen Gemeinschaftsarbeit ihr hintergründiges Spiel mit Fake News und alternativen Fakten treiben, haben allerdings keinerlei schriftstellerische Ambitionen. Und wirklich täuschen wollen sie eigentlich auch niemanden, sondern eher Täuschung entlarven.


Die von Schling bemalten Stoffe, dienten seiner Tochter Sophie zur Gestaltung von Mänteln. Diese waren Teil ihrer Abschlussarbeit im Fach Modedesign. Zwei Gewänder aus Nessel sind es, schlicht und archaisch in der Form, weit geschnitten. So, wie sie durchaus getragen worden sein könnten. Aber sie sind halt nicht nur potentielle Gewänder, sondern Bilder und noch dazu typische Schling-Bilderwelten. Auf und aus einem Untergrund von abstrakt-informellen Strukturen in natürlichen, erdigen, „erdgeistigen“ Farben keimt Gegenständliches, sprießen ausgerechnet riesige Sonnenblumen, die Blumen schlechthin, die für Freude und Lebenslust stehen und nicht umsonst in den 60ern des vorigen Jahrhunderts zur Symbolblume der HippieBewegung avancierten.
Zeichen der Hoffnung waren sie da, standen für den Glauben an eine friedlichere, von bürgerlichen und anderen Zwängen befreite Welt. Vertrauen auf die Einheit von Mensch und Natur, auf Flower Power kontra Kanonendonner, Kartätschenschüsse und Säbelrasseln, und das ausgerechnet in einer preußischen Festung? Schön wär‘s, aber Vorsicht vor möglicherweise verfrühtem Jubel. Denn da sind ja noch die von den Mänteln und dem Bustier flankierten Tische des Aloys Rump, übereinandergestellt, Tische, die nahezu zwangsläufig Assoziationen an Altäre wecken, auf denen in grauen Vorzeiten bekanntlich auch Opfer vollzogen wurden. Der Gedanke an die Opfer, die Kriege zu Hunderttausenden forderten und fordern, liegt nicht fern. Zudem steht der obere der beiden Tische nicht sicher auf seinen vier Füßen, sondern balanciert auf den Spitzen von vier Messern. Ein, in des Wortes wahrstem Sinn, scharfer, gefährlicher Balanceakt, umso mehr, als ein schwarzes, an den vier Ecken verknotetes Tuch den Tisch verhüllt und ihm das Aussehen eines Sarkophags gibt.
Und ruht nicht unter diesem „Sarkophag“, auf dem zweiten Tisch, tatsächlich ein Skelett? Das grotesk mit den glitzernden Preziosen geschmückte, so nachhaltig die Vergänglichkeit von Reichtum und Ruhm dokumentierende Skelett der Prinzessin, der das (rekonstruierte) Bustier gehört haben könnte? Eine Prinzessin, die, berücksichtigt man die fließenden, gespinstartigen, an Wasser erinnernden Blautöne, in das Schling ihr knapp auf den schlanken Leib geschneidertes Wams taucht, in die Nähe zu Nymphen und Nixen rückt. Das aber sind bekanntlich gefährliche femmes fatales, ebenso verführerisch wie verderblich. Loreley lässt, einige Stromkilometer weiter aufwärts, grüßen.
Als ob der Anspielungen nicht schon genug wären, bildet das Lager des vermeintlichen Prinzessinnen-Skeletts in der Rump‘schen Collage ein alter, präzise gezeichneter, veritabler Plan eines Festungsteils. Angesichts dieser Mixtur kommt es dann zwar nicht zum Clash of Cultures, wohl aber zur Kollision von Fakten und Fiktion, so offen, dass das ganze schöne Spiel um das „Geheimnis der Festung“ in sich zusammenfällt und als Lug und Trug entlarvt wird. Wäre es doch in den Zeiten emsig und bedenkenlos twitternder Politiker nur ebenso einfach!
[Autor: Liselotte Sauer-Kaulbach]

 
 


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 Aloys Rump
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